Handwerkliches
Prologe und Vorworte
und die Probleme, die sie mit sich bringen

Mark Twain zeigt, wie schnörkellos der Einstieg in ein Buch sein kann
Noch ein Tipp:

Auch hier ein exemplarisch guter Buchstart, ohne den Leser aufzuhalten.
Meine kühne These lautet: Die meisten Prologe und Vorworte in Büchern sind völlig unnötig und ein Ärgernis. Zugleich habe ich in manchen meiner Bücher selbst welche verwendet. Bevor also die Leserschaft das Katzenklo leerräumt um mich mit etwas nettem bewerfen zu können, will ich es umformulieren: Prologe und Vorworte sind selten unproblematisch.
Es passiert durchaus nicht nur junge Autorinnen oder Autoren mit ihrem ersten Werk, sondern auch alten Hasen beinahe aller Genres, dass sie sich von den Stolperdrähten des Vorworts ein Bein stellen lassen. Grundsätzlich kann man dabei zwei verschiedene Arten unterscheiden:
Die erste Art ist das informative Vorwort. Es ist ein Behältnis für allerlei Information über die Entstehung des Werks und seine Hintergründe. Oft ist es sogar mit einer Entschuldigung verbunden, für den Fall des Nichtgefallens. Doch wieso sollte sich ein Autor entschuldigen? Es ist völlig unangebracht. Und auch die Informationen zu den Details und Hintergründen des Schauplatzes, der Geschichte und Protagonisten, von denen der Autor meint, die Leser sollte sie wissen.
Das ist Infodump und sollte wie illegale Müllentsorgung geahndet werden, wie eine ärgerliche Art literarischer Umweltverschmutzung. Ist es denn nicht Aufgabe der Geschichte, dem Leser alles zu vermitteln, was er wissen soll? Den Müll im Vorgarten - Verzeihung – diese Informationen im Vorwort abzuladen, zeugt nicht von Raffinesse und Erfindungsgabe, sondern eher von schriftstellerischem Unvermögen, selbst wenn es der große und großartige J.R.R. Tolkien es so gemacht hat.
Die andere Art ist der Prolog als reißerischer Einstieg. Der eigentlichen Geschichte wird eine völlig isolierte Szene vorangestellt, gerne aufreizend spannend, ein Vorgriff auf die Handlung oder eine Rückblende. Der Anfang der Geschichte ein paar Seiten weiter greift diese Szene dann aber gar nicht auf. Ich habe vor einer Weile einen historischen Roman gelesen, der genau so beginnt: mit einer Rückblende zu einer der Hauptfiguren, die aber erst dreißig Seiten später vorgestellt wird. Denn zwischen dem Prolog, dieser ersten Rückblende, und dem Auftauchen der Hauptfigur wird erst noch ein Handlungsstrang ausgebreitet, der das Auftauchen der Protagonistin erklärt. Solch eine Verzögerungs- und Hinhaltetaktik finde ich als Leser ärgerlich und als Autor schlimm.
Der Anfang eines Romans ist eine sensible Sache. Der Leser weiß noch nicht, was auf ihn zukommt und will sich mit der Hauptfigur identifizieren. Im Prolog bekommt er eine serviert und muss sich gleich wieder von ihr verabschieden. Dieser Roman begann dann fast zwei Jahrzehnte später und dazu mit einer ganz andern Figur. In diesem speziellen Fall wird diese Figur dann auch noch ermordet und der Wunsch des Lesers, sich mit einer Figur anzufreunden, in ihre Haut zu schlüpfen, ist vereitelt. Im Roman folgte ein weiterer Szenenwechsel: Eine Beerdigung am selben Tag, an dem der Mord geschah, zu der die inzwischen erwachsene Heldin aus dem Prolog erwartet wird, die sich aber verspätet. Statt dessen lernen wir die ganze Verwandtschaft kennen, die aber aus einer Serie so flüchtiger Gestalten besteht, dass man sich nicht recht entscheiden mag. Harter Schnitt! Zurück beim Mordfall lernen wir den Kriminalermittler kennen. Hier endlich lohnt sich das erste Mal das Identifizieren mit einem Charakter, denn diese Figur bleibt uns längere Zeit erhalten. Und dann erst, nach einem erneuten Szenenwechsel, betritt die Protagonistin endlich die Szene. Und verschwindet gleich darauf für lange Seiten auf dem Krankenlager. Erst auf etwa auf Seite 180 nimmt sie wieder an der Geschichte teil. Dieses Beispiel zeigt drastisch, wie man es besser nicht machen sollte und auch warum.
Der Leser will von Anfang an eine klare Bezugsperson, die ihn durch die Geschichte führt. Ihn so hin und herzujagen, ihm die angebotenen Figuren dann gleich wieder wegzunehmen, ist eine Fopperei, die man dem Autor zurecht übelnehmen darf.
So verwirrt man den Leser und das sollte man tunlichst vermeiden, es sei denn, das ist aus irgend einem Grund beabsichtigt. Doch zumeist will man dem Publikum doch seine Geschichte erzählen. Wieso dann nicht beim Anfang anfangen und den Leser zügig an den Protagonisten hinführen und ihn mit dieser Vertrauensperson für die Geschichte vertraut machen.
„Aber die Szene, die ich als Prolog ausgewählt habe, ist hochdramatisch, spektakulär und macht den Einstieg spannender!“, höre ich Autoren einwenden. Spannend mag die Szene ja sein. Doch sie verzögert den Einstieg nur und wenn man dann in der eigentlichen Erzählung einer anderen Figur folgen soll, macht es den Einstieg nur mühsamer. Wäre ich boshaft, könnte ich antworten, dass Autoren, die meinen, so einen reißerischen Auftakt präsentieren zu müssen, nur ihre Unfähigkeit offenbaren, den Beginn ihrer Geschichte spannend zu gestalten.
„Aber „der Name der Rose“, „der Herr der Ringe“ und sogar „Eragon“ machen es vor und haben Prologe. Sie sind ungeheuer erfolgreiche Bücher.
Ja! Das stimmt. Es sind erfolgreiche Bücher. Doch ihr Erfolg gründet sich nicht auf den Vorworten. Sie wurden Bestseller, weil sie genial sind. Sie wurden Bestseller, obwohl sie den Leser so lange zappeln lassen - trotz ihrer Prologe. Sie sind in dieser Hinsicht kein Vorbild, dem man blind nacheifern sollte.
Kann man auch gute Vorworte verfassen? Wie eingangs erwähnt, habe ich selbst auch schon für Vorworte entschieden. Sie waren ausnahmslos kurz und sollten auf weniger als einer Seite den Leser in eine bestimmte Stimmung bringen, mit der ich ihn in die Geschichte starten lassen wollte. Wer also auf ein Vorwort nicht verzichten will, sollte sich zuerst überlegen, was genau das Vorwort leisten soll – für die Geschichte! Und dann ist es sicher gut, sich kurz zu fassen und den Leser nicht lange mit der Vorrede aufzuhalten.
7.4.2021
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