München mal anders

Das Interview mit Roland Krause

Das Buch, über das wir sprechen.

erschienen 2020

emons Verlag

255 Seiten

Noch ein Tipp:

Ganz anders, ruhiger, aber auch ein abgezockter Sauhund  ...

In Sommer 2020 erschien ein bemerkenswertes Buch bei emons, mit einem eindrucksvollen Titel: Ein abgezockter Sauhund“. Zwischen dem Umschlag klemmt ein waschechter Hardboiled-Krimi, der in München spielt. Nicht im München der Bussi- und Prosecco-Gesellschaft, sondern, da, wo es schmutzig ist, wo der Dreck der Arbeit sich mit Dreck am Stecken mischt und Schweiß längst nicht die einzige Körperflüssigkeit ist, mit der Leser konfrontiert wird. In diesem Biotop (über-)lebt Samson, der straßenschlaue Held der Geschichte.

Mir hat das Buch ausnehmend gut gefallen. Darum habe ich den Autor kontaktiert und es kam spannendes Interview heraus:

 

???
Dein Held sieht ja München eher von der uncharmanten Seite. Strenggenommen ist das nicht ganz richtig. Dieses München, in dem Touristenziele gar keine Rolle spielen, hat auch seinen Charme, doch das ist von einer sehr speziellen und herben Art! Dennoch ist das natürlich Fiktion, genau wie die Schreinerwerkstatt vom Meister Eder. Eine von der Wirklichkeit inspirierte Fiktion. Du bist ja der Autor und nicht Samson, Dein Held. Wie erlebst Du Dein München?

 

Roland Krause
Zu „meinem“ München fällt mir zuerst die Isar ein. Ob Meer, See oder Fluß, es muss plätschern oder rauschen in meiner Umgebung. Und der Fluß durch die Stadt (ganz in meiner Nähe) ist für mich Lebensqualität pur. Am Ufer entlang kommst du auch ruckzuck in die umliegenden Wälder. Genial.

Wenn ich sie brauche, finde ich immer noch einsame, stille Flecken. So wichtig. Du hast ja das gemütliche München erwähnt, das du kennengelernt hast. Ja … Wenn man ein Viertel für sich entdeckt hat, sich daheim fühlt, dann kann es schon ordentlich entspannt dahinfließen, das Münchner Leben. Lieblingsbäcker samt „handgemachten“ Brezn, Lieblingskneipe, Bars, den vielen Lieblingsmenschen, alles was so dazugehört. Das mag ich.

Und überall in der Stadt stößt man auf historische Fragmente, Bauten und Überbleibsel aus sämtlichen Epochen. Geht einem all das durch den Schädel, was die Stadt durchlebt hat und in ihren Gemäuern durchlebt und ausgelebt wurde - das hat was faszinierendes.Das ist für mich eine Inspirationsquelle – hast du dir zum Beispiel die Villa Stuck mal von innen angesehen?

 

???

Nein. Ich muss gestehen, die kenne ich leider nicht von innen. Aber die Lehnbach-Villa und die alten Pinakothek war ich eine Zeitlang mein zweites Wohnzimmer.

 

Roland Krause

Auch die Storys, Performances, Konzerte und schrägen Experimente, die im Großstadtleben so zusammengemixt werden - da ist ne Menge an kreativer Energie am Werk.

Für Leute, die glauben, an Geld keinen Gedanken verschwenden zu müssen, aber sonst gern verschwenderisch daherkommen, hat München einen Haufen Glanz und Firlefanz zu bieten. Fafnirs Hort ist ein Dreck dagegen.

Und gleich nebenan hast du Überlebenskampf. Am Bahnhof, in den Wohnklötzen und Unterkünften, unter den Isarbrücken, bei den Lebensmittel-Tafeln, da kommen weder Dolce Vita noch Schickimicki auf einen Sprung vorbei und winken.

Das ist die Diskrepanz in der Stadt. Ist halt immer die Frage, schaut man nur aufs schicke, üppige Teppichmuster oder wirft man auch nen Blick drunter.

 

???
Wie entstand die Idee, einen Hardboiled-Krimi in München handeln zu lassen? Das ist ja nicht unbedingt eine Idee, die sich aufdrängt.

 

Roland Krause

Na ja, statt den selben Teebeutel wieder ins Wasser zu tauchen, wollt ich mal Kaffee. Im literarischen München gibt es ja ein munteres Treiben an Ermittlern und Hobbydetektiven. Es hat mich nicht gereizt, einfach eine weitere Figur aufs Spielbrett zu stellen.

Mit der Trilogie um Hauptkommissar Sandner gibt es ja drei München-Krimis von mir, da hat mich das Krimifieber gepackt, aber das eher "gemütliche" Schema hat sich - für mich - erschöpft. (Stand heute, wer weiß...)

Dazu kommt dass ich wahnsinnig gern das Dasein von Underdogs, Außenseitern, schrägen und originellen Gestalten beleuchte - und wenn man sich so umschaut, haben da New York oder Los Angeles bestimmt kein

Copyright drauf. Für mich war es reizvoll, ein anderes München zu beschreiben und aufzudecken, finstere Winkel, die du auf keiner Postkarte finden kannst. Und ja klar, ich möchte immer mit meinen Stories Leser*Innen überraschen, sie durch unentdecktes Gebiet reisen zu lassen. Wenns gelingt, freuts mich.

 

???

Samson Sprache fand ich sehr natürlich, direkt und immer auf den Punkt. Wie sehr hast Du an Samsons Sprache feilen müssen?

 

Roland Krause

Das ist echt schwer zu beantworten. Grundsätzlich habe ich nur wenig an Samsons Sprache herumbasteln müssen. Vielleicht war es eine Art von "Method writing". Deswegen, denk ich, funktioniert die Story gerade aus der Ich-Perspektive. Es ehrt und freut mich, wenn es für dich "locker flockig" und "natürlich", wirkt.

Einmal im "flow", hat es tierisch Spaß gemacht, quasi in Samsons Sneakers zu latschen, wobei ich auch einen Rucksack mit Lebenserfahrung aus unterschiedlichsten Millieus und Örtlichkeiten dabei hatte. Ich schreib eigentlich hauptsächlich intuitiv, versuch mit wenig Firlefanz und Schleifchen auszukommen, gleichzeitig will ich es am Schluss hundertprozentig - oder was ich darunter verstehe. So fließt es zusammen, denk ich. Und ich mag es, Szenen möglichst in Verbindung mit sämtlichen Sinnen auszukleiden, - ach ja, dabei schwing ich die Feile - wenn ich feststelle, Handlung wirkt zu abstrakt, zu weit weg, "springt mich nicht an."

 

???
Zimperlich bist Du nicht. Deine Helden bekommen auf die Fresse, töten,
wenn sie müssen und haben darum keine schlechten Träume. Dabei finde ich die Brutalitöten in Deinem Buch nicht schlimm, sie sind immer aus den Figuren heraus gut motiviert. Ist auch das Gefühl? Oder ist es
wohl eine abgewogene Dosis – nicht aus Effekthascherei, sondern in Hinblick auf die Leserakzeptanz?

 

Roland Krause

Für einige meiner Protagonisten ist Gewalt erprobtes und gewohnt - alltägliches Mittel um Probleme oder Meinungsverscheidenheiten anzugehen. Du kriegst damit eben ein endgültiges, befriedigendes Resultat – oder die erwünschte Antwort, selbst auf Fragen, die du nicht gestellt hast.
Ich mach mir beim Schreiben keinen Kopf um eine richtige Dosis – was wäre überhaupt „richtig“? - oder Akzeptanz. Selbstzensur würde ich nicht zu meinen „Skills“ zählen. Blut fließt bei mir handlungsmotiviert und wenn die Charaktere es hergeben oder einfordern. Was ich spannend finde, ist das Ausloten von Abgründen, wie weit Menschen gehen, wozu sie getrieben werden können, in extremen oder existenziellen Momenten. Ich bin kein Freund von „Splatter-Szenen“, aber auch keiner von holprigen Kompromissen – after all ist es nun mal eine „handfeste“ Abenteuer-Story.

 

???
So wie Du über München schreiben, kann man nur, wenn man die Stadt liebt. Es muss ja kein ideale oder unkomplizierte Liebe sein. Wie begann eigentlich deine Affaire mit der Isarmethropole?

 

Roland Krause
Ich kenn die Stadt seit meiner Kindheit ziemlich gut, was an meinen vielfältigen bayrischen Wurzeln liegt. Verführt werden musste ich daher nicht. Eher war es unvermeidlich, mal in ihrem Bett zu landen. Ihre Anziehungskraft liegt wohl in der Bandbreite an Erfahrungen und Erleben, die sie dir beschehren kann.
Und klar – als Geschichtenerzähler inspiriert es mich wenig, das Großstadttreiben nur als Tralala durch die rosa Brille in Hochglanz zu betrachten, von daher würde ich sagen, ich hab eine anregende und spannende Beziehung mit Lady Bavaria und wir entwickeln uns ja - hoffentlich – beide weiter.

???
Verrätst Du uns einen Deiner Lieblingsplätze ein München?

 

Roland Krause
Nicht einfach zu beantworten. Ich denk, viele Orte sind für mich an Begegnungen gekoppelt und daher zu Lieblingsplätzen geworden.
Spontan würde mir der Kiosk an der Tierparkbrücke einfallen, der sich zu nem Kaffee und nem Plausch an der Isar bestens eignet. Auf dieser Seite der Flusses gibt es überhaupt geniale Fleckchen, die teilweise im Verborgenen liegen.
Dann haben es mir viele Brücken der Stadt, zum Beispiel die Wittelbacher-Brücke, angetan, mit den üppigen, lebensfrohen Darstellungen und Statuen, das hat was. Wenns ein Platz sein soll, wäre der Wiener-Platz mein Favorit, einfach weil er, gerade im Sommer, irgendwie „anheimelnd“ (ich schätze das Wörtchen) daherkommt. Was wär denn dein Münchener Lieblingsplatz Numero uno?


???
Auch ich habe viele. An einem sonnigen Herbsttag kann der Rotkreuzplatz einen ganzen Nachmittag unterhaltsames Straßentheater bieten. Das Restaurant im Kaufhof am Stachus hatte die beste Aussicht auf die Dächer der Stadt, die Alpen und das Ballett am Taxistand. Und natürlich die Sendlinger Straße, nicht nur wegen der völlig verrückten Asamkirche. Es ist ein enges, kurzes Stückchen München, aber bunt und quicklebendig. Und noch ein wunderbarer Platz, eher ein Plätchen: Der Brunnen an der Südseite der neuen Pinakothek, tagsüber ein Café, aber auch nachts ein schöner Fleck für ein Pläuschchen.

Was außer harten Krimis würde Dich als Autor als Thema oder Genre reizen?

 

Roland Krause

Da gibts vieles. Neben dem „abgezockten Sauhund“ wurde ja vor kurzem, mit „Ardan und die Schrecken des raunenden Waldes“ auch ein Fantasie-Hörbuch für Kids von mir veröffentlicht, davor wars eine Anthologie aus dreizehn meiner Short-Stories. Wenn mich eine Geschichte „anfällt“, mach ich mir eigentlich keine Gedanken, zu welchem Genre sie passen würde, oder ob erst noch Schlagwörter dafür ausgeknobelt werden müssen.

„Literarischer Stoff“ oder eine Mittelalter Saga - mit ordentlich Dreck, Leidenschaft und Blut – das hätte auch seinen Reiz.

By the way - welches Genre würde dich denn reizen?

 

???

Mein aktuelles Projekt ist etwas ganz abseitiges: Die Übersetzung eine mittelalterlichen Chronik über die Landnahme der Magyaren ende des 9. Jahrhunderts, die ich mit einem Satz Fußnoten und etlichen Kommentare versehen habe. Da bin ich gerade an der Korrektur.

Ein historischer Roman über einen bestimmten Verbrecher des 19. Jahrhunderts ist ebenfalls auf meiner Vorhabenliste unter “irgendwann mal“. Und vielleicht auch ein Kinderbuch. Mal sehen.

Einen Roman zu schreiben, ist ja auch eine Reise, und es wäre unsinnig, wenn man hinterher der selbe wäre wie vor der Abfahrt. Was hat Deine Geschichte mit Dir gemacht? Hast Du etwas Neues in Dir selbst entdeckt?

 

 

Roland Krause

Du meinst die Entdeckungsreise ins Ich?

Für eine Story fließen bei mir, denk ich, all die Ingredienzen zusammen, die den Schädel so anfüllen. Erinnerungsfetzen, Gelesenes, Gefühltes, Gehörtes und ne Menge Durchlebtes – what ever. Vorher bestimmen kann ich nie genau, wie die Mixtur dann aussieht und nach was sie schmeckt. Vielleicht hatte beim abgezockten Sauhund mein „innerer Outlaw“ seinen Auftritt, aber den großen Schluck aus der Selbsterfahrungspulle nimmst du wahrscheinlich eher bei einem Schreiben eines Entwicklungsromans oder der coming of Age Story.

 

???

Das ist durchaus möglich. Planst Du eigentlich ein zweites Samson-Abenteuer? Ich könnte mir vorstellen, dass nicht nur ich das begrüßen würden.

 

Roland Krause

Ich bin ein großer Fan von Trilogien.

 

???

Das lässt mich hoffen und vielleicht wird es ja sogar mehr als drei Sauhunde geben.

Ich freue mich schon jetzt und danke für Deine Geduld und Deine Offenheit.

28.2.2021

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