Achdé, Jul:

Lucky Luke 99
Fackeln im Baumwollfeld

* * * *

Erschienen 2020

Egmont Comic Collection

48 Seiten

ISBN  9783770441273

Lucky Luke im Land des weißen Goldes

Noch ein Tipp:

München und der Wilde Westen – eine besondere Beziehung!

Auch wenn ich klein ausgesprochener Lucky-Luke-Fan bin, verfolge ich die Abenteuer des einsamen Cowboys schon seit knapp fünfzig Jahren und freue mich, dass die Reihe in guten Händen ist. Mit „Fackeln im Baumwollfeld“ liegt nun Band 99 vor. Ein Album, dass sich vorgenommen hat, den Rassismus aufzuspießen.

Wie gelingt es einem Comic-Cowboy, dessen seine Hauptwaffe die Parodie ist? (Dass er schneller zieht als sein Schatten, lassen wir hier einmal außen vor.) Ist ein hochpolitisches Thema ein geeignet für ein Album? Kann man überhaupt darüber gelungene Witze machen? Kann das Heft ein pointierter gesellschaftspolitischen Kommentar zu den Entwicklungen in den USA sein … und nicht nur dort? Soll es das überhaupt? Es ist schwierig. Und leider gelingt es dem Heft nur unvollständig.

Lucky Luke beerbt unversehens eine glühende Verehrerin und ist plötzlich Herr über die größte und reichste Baumwoll-Plantage in Louisiana. Als Großgrundbesitzer sieht sich der plötzlich reiche einsame Cowboy gar nicht, doch seine Pläne, den Besitz der Plantage den ehemaligen, erst kürzlich befreiten Sklaven als eine Art Genossenschaft zu übertragen, ruft bei denen Argwohn, bei den Nachbarn Unverständnis und Entsetzen hervor und wenig sogar den Ku-Klux-Klan auf den Plan.

Es wäre um unseren Helden mit dem weißen Hut geschehen gewesen und die Geschichte muss seinen Freund Bass Reeves bemühen, die Daltons und einen Hurrican, um unseren Helden herauszupauken.

Bass Reeves ist es wert, genauer betrachtet zu werden. Zu Recht warf man den Alben der Vergangenheit vor, dass sie die Afroamerikaner in den meisten Heften als geistig beschränkte, nicht sonderlich fähige Figuren am Rande darstellten. Sie waren allzu klischeehaft und gaben stereotyp das vertraute Bild des „Negers“ wieder, das sich seit Generationen tradiert hat und erst jetzt, jüngerer Zeit, hinterfragt wird. Und nun taucht in Nichvoga, einem Städtchen in Wyoming, Bass Reeves auf, ein schwarzer Marshall, der gleich auf den ersten Seiten als tüchtig und intelligent charakterisiert ist. Diesmal ist es Bass, der die Daltons gefangen hat. Dies allein schon stellt ihn mit unserem Helden auf eine Stufe. Lucky und er kennen sich offenbar schon lange und schätzen sich sehr. Der Marshall ist am Ort hoch angesehen und bewundert.

Als ehemaliger Sklave von den Baumwollfeldern klärt er Lucky Luke über sein Erbe auf und warnt ihn, dass auch im zivilisierten Süden Gefahren lauern. Und dann verschwindet leider diese Figur und taucht erst zum Finale wieder auf. Unser Held muss allein in den Süden reiten. Hier vergibt die Geschichte, denke ich, einiges an Potential. Mit Bass Reed als vermittelndem Element hätte man vielleicht die angerissenen Probleme besser darstellen können. Statt dessen setzt dieses Album auf die bewährte Stärke der Reihe: Es ist eine gelungene Parodie. Akadische Hinterwäldler im Sumpf werden ebenso aufgespießt wie der weiße Geldadel mit seinem menschenverachtenden Selbstverständnis und die duckmäusernden Schwarzen. All das ist zwar treffend und gelungen, auch zeichnerisch wunderbar umgesetzt, aber es fehlt dann doch ein wenig Tiefe.

Graphisch ist es immerhin ein sehr schönes Heft. Achdé zeigt, dass er ein Meister ist. Ob es ein pfiffiger Perspektivwechsel auf Seite 7 ist, die stimmungsvollen Szenen, in denen Flammen die Figuren beleuchten oder die großen Panels, die die Szenerie erfassen, es ist alles gelungen, eine Augenlust und immer gibt es auch viele Kleinigkeiten zu entdecken.

Was bleibt? Ein schönes Heft, endlich ein schwarzer Held – kernig, tüchtig und klug und ein wenig ernsthafter als Lucky Luke, ein Held von dem man gerne mehr lesen mag. Feine und gut gemachte Unterhaltung, aber keine allzu ernsthafte Auseinandersetzung. Diese Chance wurde nicht genutzt – oder nur sehr unvollständig.

Erst im Nachwort erfährt man, dass Bass Reeves tatsächlich gelebt hat und viele der Cowboys – rund 25% – tatsächlich schwarz waren. Unser Bild des Wilden Westens ist zu Unrecht weiß. Die Schwarzen wurden unterschlagen.

Was die Autoren versuchten, ist ihnen sehr gut gelungen. Kann ich das Heft abwerten, weil ich mir mehr gewünscht, mehr erwartet hätte? Wäre das fair? Nein. Doch da es auch im Plot und vor allem in der doch recht schicksalhaft und bemüht wirkenden Auflösung ein paar Schwächen gibt, gibt es von mir nur vier Punkte. Dennoch kann ich das Heft empfehlen.

 

Wer ein wenig mehr von Bass Reeves wissen möchte, möchte ich als Einstieg ist den Wikipedia-Artikel ans Herz legen.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bass_Reeves

 

2.3.2021

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