Johannes Wilkes

Heirate nie auf Spiekeroog

* * * *

Erscheinungsdatum 2021

Verlag Prolibris

199 Seiten

ISBN: 9783954752218

sympathischer Inselkrimi mit viel Flair und sympathischen Ermittlern

Noch ein Tipp:

Auch hier musste der Autor aufgrund der Proteste des Publikums einen Toten wiederauferstehen lassen.

Spiekeroog, die zweite Perle von Rechts in der Kette der ostfriesischen Inseln, ein grünes Kleinod im Wattenmeer. Ich kenne Die Insel von einem halben Dutzend Urlauben und mag sie sehr. So war ich sehr froh, dass ich bei einer Leserunde mitmachen konnte.

Die Insel hat einen ganz eigenen Charme, der aus dem Gegensatz von Klein und Groß entsteht. Als Insel ist es eine kleine Welt für sich. In ihr ist alles kleiner. Das fällt jedem Besucher gleich als erstes ins Auge. Es gibt nur ein Dorf, keine Stadt, und die Häuser sind klein. Die Traufhöhe ist meist niedrig, alles ist fußläufig und in den Dimensionen auf ein menschliches Maße reduziert. Die Straßen sind gerade breit genug für Fußgänger. Autos gibt es nicht, von wenigen Elektrokarren abgesehen und so musste man sie auch nie breiter bauen. Das macht es dort so angenehm, so liebenswert, denn es wirkt ein wenig wie eine Puppenstube. Und dann ist da die Weite. Das Meer, der kilometerlange Strand, gesäumt von weißen Dünenhängen, auf denen wie Bartstoppel der Strandhafer sprießt, hinter denen sich ein ganzer Wald mit märchenhaftem Flair verbirgt. Die Wellen und der Wind sind allgegenwärtig und von den Wegen auf den Dünen aus blickt man bin in die Unendlichkeit hinter dem Horizont. Es ist kein Wunder, dass viele die Insel liebgewonnen haben, so auch Johannes Wilkes der Autor.

Er schickt seine zwei Helden, Rolf-Dieter und Mütze auf die Insel zur Erholung. Es ist ein ungleiches Liebespaar: Mütze ist ein tougher Kriminalkommissar in Dortmund, ein harter Kerl, ein Sportler, der nicht Leerlauf nicht aushält. Sein Rolf-Dieter ist das komplementäre Gegenstück, ein feinsinniger Bühnenbildner und auf Harmonie bedachter Mann, achtsam bei sich selbst und ebenso anderen Gegenüber. Die beiden werden gerade Väter, denn im Bauch einer amerikanischen Leihmutter wächst gerade ihr Kind heran, auf das sich besonders Rolf-Dieter mit ganzer Hingabe freut.

Kaum sind sie angekommen, werden sie schon in ein Rätsel verwickelt: Ein Brautkleid wird am Strand angespült und zugleich wird die Braut einer kleinen Hochzeitsgesellschaft vermisst, Angie, die gestern ihrem Norbert das Jawort gegeben hat. Der unversehens wieder alleinstehende Ehemann ist ein merkwürdiger Mann, leicht grünlich und verständlicherweise bestürzt und durcheinander. Doch Verschwinden ist kein Verbrechen, so kann man zunächst auch keine große Fahndung einleiten. Dennoch hilft Mütze dem Inselpolizisten Ahsen gerne bei den Nachforschungen, während Karl-Dieter eher am Strand sitzt, und nebenbei vor einem ganz anderes Rätsel steht.

Er entdeckt nämlich alte Bekannte, das ABC-Geschwader, der liebreizende alte Damen, die als Urlaubsgäste unentwegt und unzertrennlich herumstromern und im Verlauf der Geschichte allerlei interessante Beobachtungen machen. Die Entdeckung des ABC-.Geschwader, benannt nach den Anfangsbuchstaben der Vornahmen der Silberhaartroika, ist bestürzend, weil sie doch in einem der vorherigen Bände leider zu Tode kamen.

Als Karl-Dieter am Strand dann den Bräutigam tot auffindet, kommt der Fall nun richtig ins Rollen. Nebenbei löst der Bühnenbildner das Rätsel der drei Ladys. Wegen der Proteste des Publikums versucht Wilkes das Unmögliche: Mit einem tollkühnen erzählerischen Kunstgriff schafft er es, die Toten auferstehen zu lassen. An diesem Punkt muss man die Erwartungen an Wahrscheinlichkeit und Realismus sehr herunterschrauben, doch ansonsten ist es eine sehr handfeste und gut gezimmerte Kriminalgeschichte.

Ich war mir lange unschlüssig, wie ich das Buch bewerten soll. Einerseits sehe ich viel Können und Gespür für das richtige Wort, mit dem Wikes die vielen Orte und Stimmung der Insel einfängt. Und ich sehe eine zwar kurze Geschichte, die aber gut an den Schauplatz angebunden ist, einen Kriminalfall, der in sich schlüssig ist und viele schön gezeichnete Figuren. Alles ist da, was ein solcher gemütlicher Regionalkrimi braucht. Auch war das Buch angenehm zu lesen, die Sprache war schön und nahm einen mit.

Aber ein paar Sachen gab es, die mir nicht gefielen. Das wiederbelebte ABC-Geschwader nehme ich da heraus. Was hier an fehlender Wahrscheinlichkeit in der eine Waagschale liegt, wird durch Pfiffigkeit und Originalität der Wiederbelebung weitgehend wettgemacht und die gute Einbindung in die Geschichte gleicht die Waage schließlich aus. Doch es gibt anderes:

Zunächst fand ich es sehr schade, dass der Leser die Protagonisten nicht vorgestellt bekommt. Das macht den Einstig für Leute, die die Reihe nicht kennen, schwierig und wäre mit zwei zusätzlichen Absätzen leicht zu lösen gewesen.

Zweitens fand ich es nicht sehr schön, dass Mütze und Karl-Dieter so wenig gemeinsam unternahmen. Die meine ich jetzt weniger im Sinne ihrer Paarharmonie, sondern eher in Hinblick auf die Erzählung. Karl-Dieter wurde in den Fall nur da eingebunden, wo er die Handlung weiterbrachte, sei es durch den Leichenfund oder durch Infos, die er aufstöberte. Zu oft und wurde er allein im Strandkorb sitzengelassen. Das drückte leider aufs Tempo.

Der dritte Kritikpunkt ist die Art der Ermittlung von Ahsen und Mütze. Da wird zu wenig ermittelt und nicht hartnäckig genug. Zeugen werden zum Beispiel erst sehr spät befragt, die Vermisste wird nicht ernsthaft gesucht. Und immer enden die Ermittlungsversuche mit einem kollegialen Umtrunk, selbst dann, als eine Leiche aufgetaucht ist.

Als letzten, aber recht kleinen Kritikpunkt habe ich noch ein paar Recherchefehler zu bekritteln. Doch ich gebe zu, dass ich da sehr streng bin. Dieser Punkt fällt auch kaum ins Gewicht.

Die anderen aber reichen leider aus, um das ansonsten schöne Buch mit nur vier Sternen zu bewerten. Es ist ein schönes Buch, ein lesenswertes Buch, das Spaß macht, das ich auch gerne empfehle. Erst Recht jedem, der Spiekeroog mag oder eine andere Nordseeinsel. Doch ist das Buch leider nicht ganz so gut, wie es – in meinen Augen zumindest – hätte sein können. Darum muss ich leider einen Stern abziehen.

 

Der Autor hat zwar keine Website, ich fand zumindest keine, doch einen schönen Wikipedia-Eintrag, den ich Euch nicht vorenthalten will:

 

7.5.2021

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