Suza Kolb
Flausen im Schopf
Band 1 der Haferhorde
* * *
2015
Magellan Verlag
156
ISBN 978 3 7348 4020 3
nette Pony-Streiche auf einem Pferdehof
Kinderbuch für Jungen und Mädchen ab 8
Noch ein Tipp:
Für etwas ältere Leser, auch eine bezaubernde Tiergeschichte, ernster, epischer und genial. ab 13
Ein Pferdebuch, das Buch und Mädchen gleichermaßen anspricht, geht das?Hier gelingt es, denn es geht nicht eigentlich ums Reiten, sondern um das Leben der Pferde im Stall.
Die Hauptperson ist Schoko, ein Shettland-Pony, dass mit seinem besten Freund Keks, ebenfalls ein Shettie und Toni, einem Haflinger im neuen Zuhause einen Offenstall bezieht. Außerdem wohnen in den Boxen noch Ole, ein gemütlicher Kaltblutschimmel mit natürlicher Autorität und Gräfin, eine kapriziöse Trakhenerstute. Die vier Rassen sind mit ihren Eigenarten recht gut charakterisiert: Den Shetties fällt jeder Unfug ein, der Hafi ist eher gemütlich, die Ostpreußin schreckhaft und sensibel, wohingegen der Schleswiger Wallach um sich herum Ruhe verbreitet.
Die Zweibeiner bleiben im Hintergrund. Und das ist schon der erste Kritikpunkt. So, wie es die Geschichte schildert, werden die Tiere versorgt und gefüttert. Doch man bewegt sie kaum. Koppelgang? Der wird mit keinem Wort erwähnt. Tägliche Arbeit mit dem Pferden? Ausbildung oder Bewegung? Man fährt nur aus oder reitet mit den Tieren, wenn es den Zweibeinern in den Kram passt. Das ist sollte so nicht sein.
Tatsächlich ist aber genau das leider allzu oft der Fall. Pferdehalter halten sich ein Tier wie ein Sportgerät, das sie nutzen, wenn es ihnen gerade passt und das Wetter angenehm ist. Im Sinne der Pferde ist das nicht. Diese Tiere wollen mehrere Stunden am Tag bewegt sein. Das brauchen sie um gesund zu bleiben. Die Einstellung, das ein Tier kaum mehr Bedürfnisse hat als ein Moutainbike, sorgt auch dafür, dass viele Reitpferde kaum über die Hälfte der Lebensspanne hinauskommen, die sie bei besserer Haltung mit mehr Bewegung erreichen könnten.
Im Buch werden die Pferde geliebt und gut betreut. Und doch unterstützt das Buch die Vorstellung, Pferde bräuchten nur einen Stall, Futter und Wasser, nicht aber tägliche Arbeit zur Gesunderhaltung, in dem es diesen Aspekt einfach unter den Tisch fallen lässt. Ein guter Pferdehalter bewegt sein Pferd, damit es dem Pferd gut geht. Ich kannte einst Rubel, einen alten Herrn, ein Bayerisches Warmblut, den man nicht mehr reiten konnte. Täglich kam sein Besitzer in den Stall und sie machten lange Spaziergänge – dem Tier zuliebe. Das ist Horsemanship! Und das eben könnte das Buch auch zeigen – und tut es nicht.
Statt dessen geht auf dem Hof ein Gespenst um und Schoko will es unbedingt fangen. Hier beginnt der Teil der Geschichte, in der die Pferde vermenschlicht werden müssen. Es gibt verschiedene Arten das zu tun. Suza Kolb macht es eigentlich nicht schlecht. Schoko, der Shettie-Rabauke bekommt lausbubenartige Züge und versucht dem Gespenst allerlei Fallen zu stellen. Dass man dabei kein natürliches Pferd mehr vor sich hat, ist klar. Er und seine Helfer handeln, wie ein Mensch handeln würde. Die Grafikerin unterstützt das auch mit einigen gelungen übertriebenen Illustrationen. Immer hin bleiben ihnen gewisse Grenzen gesetzt. So kann Schoko zum Beispiel keine Knoten knüpfen.
Und doch habe ich Miesepeter auch hier wieder etwas zu bemängeln. Schoko kann sich ziemlich frei ungehemmt und frei auf dem Hof bewegen. Nichts und niemand will das ernsthaft verhindern. Das gibt ihm und der Erzählung natürlich Freiraum, vermittelt in meinen Augen aber auch wieder ein falsches Bild. Pferde sind wundervolle Tiere, aber der Umgang mit Ihnen kann auch gefährlich sein. Sie sind schreckhafte Fluchttiere und reagieren, wenn sie Angst bekommen ungestüm und laufen, wenn sie können, weg. Dabei gefährden sie sich selbst und andere, was sie dann noch weiter aufregt. Es macht ziemliche Mühe, ein verstörtes Tier wieder einzufangen und heimzubringen. Darum ist jeder Pferdehalter sehr bemüht, seine Tiere so zu halten, dass sie da bleiben, wo sie sind. Dass Ponys nach Gutdünken auf dem Hof lustwandeln können, sollte aber nicht sein.
Dabei wäre die Lösung des Dilemmas gar nicht so schwer. Es gibt schlaue Pferde, die mit langem Hals und Lippen Boxenriegel öffnen. Es gibt Akrobaten die es schaffen, zwischen Koppelstangen hindurch zu steigen. Sogar von findigen Pferden habe ich gehört, die Elektrozäune lahmlegten. Man hätte also nur Schoko ein paar Eigenschaften eines Ausbrecherkönigs zuschreiben müssen und der zweibeinigen Chefin die redliche Absicht, ihren Hof sicher zu gestalten. Doch das tat man nicht.
Statt dessen bestraft man die Tiere, die übermütig bei einem Ausritt eine andere Reiterabteilung im Galopp passieren (und dabei gefährden) und sich nicht durchparieren lassen mit Haferentzug. Und schon sträuben sich bei mir die Nackenhaare. Auch das ist ein kleiner aber sehr böser Fehler. Richtig ist, dass Hafer Pferden nicht nur Kraft gibt, sondern sie auch keck und unternehmungslustig macht. Die Energie der Körner will irgendwohin, notfalls setzen sie ihn in Übermut und Unsinn um. Von daher ist die Kürzung der Haferration nach einem solchen Streich keine sinnlose Maßnahme. Das kreide ich der Autorin nicht an. Doch das als Strafe zu bezeichnen, legt nahe, dass Futtergabe oder -entzug ein Mittel der Erziehung wäre und das ist grundfalsch. Wenn Kinder das lernen, wenn am sie Ende „brave Pferdis“ mit Extrahafer belohnen, gefährden sie sogar die Gesundheit der Vierbeiner.
Genug gemeckert. Das Buch ist wunderschön gemacht, Nina Dullbeck hat es toll illustriert und die Tiere treffend und mit Witz eingefangen. Nur ein klitzekleiner Fehler ist ihr unterlaufen. Einmal zeigt sie einen Steigriemengurt, der unter dem Sattelgurt verschnallt ist. Aber ich bin kleinlich, das ist mir klar.
Bei der Herstellung nahm der Verlag auf Klima und Umwelt größtmöglich Rücksicht. Die Geschichte ist nett und schnurrig, spannend, gut erzählt und voller altersgerechter Gags. Auch die Länge der Kapitel und der Geschichte im ganzen ist gut bemessen. Für junge Leser, die gerade die Welt der Bücher erobern herausfordern, aber zu bewältigend und für junge Leseratten ein gut portionierter Lesehappen. Angenehm ist auch, dass sie auch Jungs begeistern kann. Weniger schön ist, dass Pferde nicht nur die Eigenheiten ihrer Rasse widerspiegeln sondern auch die menschlichen Geschlechterrollen. Ein kapriziöser Wallach statt der Gräfin oder eine Hafi-Stute hätte der Geschichte keinen Schaden zugefügt. Deshalb will ich kein Fass aufmachen. Doch es zeigt, wie tief diese Klischees der Geschlechterrollen in uns verankert sind.
So bleibt es eine nette Geschichte von lausbubenhaften Ponys auf Gespensterjagd. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Das Buch zeigt auf jeder Seite, dass die Autorin von Pferden begeistert ist und auch etwas von ihnen versteht. Doch in zweifacher Hinsicht fand ich das Buch nicht gelungen. Es will wohl für Pferde begeistern, doch es versucht nicht einmal ganz elementare Grundlagen der Pferdehaltung korrekt zu zeigen. Und obendrein vermittelt durch ein paar ungeschickte und falsche Signale ein völlig falsches Bild, das jeder Horsemanship zuwiderläuft. Hier wurden Chancen und Möglichkeiten versäumt. Sehr schade. So bleibt nur es eine nette Geschichte. Vielleicht wird es aber bei den nächsten Bänden besser. Ich werde noch einen zweiten Blick wagen.
Das Buch ist übrigens der Auftakt einer vielbändigen Reihe, die offenbar sehr gerne gelesen wird. Dies sagen die Ausleihzahlen unserer Bücherei.
Ist es schlimm, wenn sich Kinder auch für Bücher begeistern, die ich nicht so gelungen finde? Nein. Natürlich nicht. Und ich will niemandem den Spaß verderben. Doch meinen Blick lasse ich dadurch auch nicht trüben.
Ein Tipp noch:
Das Buch wurde schön von Bürger Lars Dietrich als Hörbuch eingelesen.
Ein letzter Tipp:
Herausragend ist der Buchteaser, ein Minitrickfilm.
12.3.2021
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