Roland Krause

Ein abgezockter Sauhund

* * * * *

Erschienen 2020

emons Verlag

255 Seiten
ISBN 9783740809478

grober Hardboiled-Krimi führt in die ungemütlichen Schattenbiotope Münchens

Noch ein Tipp:

Ganz anders, ruhiger, aber auch ein abgezockter Sauhund  ...

Wenn eine Stadt gibt, die sich für einen richtig harten Hardboiled-Krimi nicht eignet, dann ist es München. Sollte man meinen. Die Stadt hat einfach nicht das richtige Flair. Zu gemütlich, zu ordentlich … zu bierselig. In diese Stadt, zwischen ihre Weißwürste und grantelnden Kellnerinnen mit Herz passen eher klassische Lokalkrimis mit etwas Humor und dem spezifischen weißblauen Touch. Man denkt an Ermittler wie Wanninger, Veigl oder den unsterblichen Monaco Franze. Sollte man meinen. Stimmt aber nicht!

Es geht auch anders. Krause führt uns ein ganz anderes München vor Augen, eines, in dem nicht Hofbräuhaus oder Viktualienmarkt die Dreh- und Angelpunkte sind. Hier findet man sich in schäbigen Shishabars am Hauptbahnhof wieder oder in den Seelenschließfächer in den gesichtslosen Mietskasernen von Neuperlach, beides Gegenden, die sicher kein Sightseeing-Bus je anfahren wird.

Held der Geschichte ist Samson. Er ist der abgezockte Sauhund des Titels, zumindest einer von ihnen. Kein Ganove, eher ein Berufsverbrecher. Als solcher ist ein unabhängiger Kleinunternehmer in dieser Branche und so clever, dass er bislang eine saubere Weste behalten hat. Er ist keineswegs zimperlich, ein Opportunist und ein straßenschlauer Zyniker. Im Nebenerwerb ist er der Icherzähler des Romans.

Seinen Expartner Pauli hat es erwischt. Er wurde erstochen an der Isar aufgefunden. Und Stani beauftragt ihn, diesen Tod aufzuklären. Für Stani zu arbeiten ist gefährlich. Samson kennt ihn noch aus der gemeinsamen Schulzeit. Schon damals hatte der zehnjährige Stani seinen Kameraden Schutzgeld abgepresst und ist inzwischen ein waschechter Gangsterboss. Die Belohnung kann Samson aber bestens brauchen. Sein Sparschwein ist so leer wie der Tank seines Wagens.

Mit dem armen Pauli hatte Samson vor Jahren erfolgreich noble Hotelzimmer abgezogen. In feinem Zwirn und mit einer „Sesam-Öffne-Dich-Maschine“ spazierten sie dort ein und aus und nahmen mit, was sie in den Zimmersafes fanden. Das waren die guten, alten Zeiten, doch dann ging die Zaubermaschine kaputt und die Partnerschaft endete. Nun, Jahre später, hat der Arme zwei Löcher im Wanst .

Der erste Weg führt Samson zu Paulis Frau nach Neuperlach. Der Betonblock entpuppt sich als Biotop schriller Gestalten. Als dort Stanis Schläger auftauchen, wird es sehr ungemütlich. Ehe man „sozialer Wohnungsbau“ sagen kann, liegen zwei der Gorillas tot im Treppenhaus und Samson ist mitten im größten Schlamassel, das man sich vorstellen kann. Doch er hat eine Spur. Es geht um eine Riesensache, ein Millionending, das den Ruhestand verspricht. Wenn er es nur schlau anstellt, schlauer als alle anderen, und wenn er am Leben bleibt. Alles nicht ganz einfach. Neben Stani hat Samson es mit Arabern zu tun, korrupten Bullen und noch einigen brandgefährlichen Originalen. Und dann ist da noch Thyla mit ihren Boys. Eine Bekannte aus Thailand, gerissen, skrupellos und Münchens Schneekönigin. Es wird ganz und gar nicht einfach.

 

Ich kenne München, habe dort jahrelang gelebt, Diese Seiten Münchens gibt es auch. Nur sieht man nicht gern hin. Und wenn man sich doch dahin verirrt, sucht man meist rasch das Weite und verdrängt gerne das Gesehene. Doch Krause hat es wunderbar eingefangen und sein Samson ist hier in seinem Element. Er passt besser in die Falaffelbude in Berg am Laim als in den Augustiner Biergarten. Alle Figuren im Buch – auch der schlitzohrige Held – sind mit minimalen Mitteln vollplastisch beschrieben, sehr lebendig (bis sie abgemurkst werden), und selbst ihr krasses Handeln ist stets motiviert und wirkt so glaubhaft.

Der Plot ist gradlinig und biegt doch immer wieder ab, findet neue Bahnen und bleibt stets spannend. Samson nimmt den Leser mit, lädt ihn ein, mitzudenken, mitzufiebern und über das Ende zu spekulieren, das dann doch überrascht.

Am Besten aber hat mir Samsons Sprache gefallen. Scheinbar ungekünstelter Gossenslang, schnoddrig, aber stets hochpräzise und geistreich. Immer wieder schrammt sein schwarzer Witz haarscharf an „lustig“ vorbei. Man verkneift es sich, auf die Schenkel zu klopfen, doch man grinst oft und gern beim Lesen. Herausragend finde ich seine originellen Sprachbilder und Vergleiche, die oft genug von Genie geküsst sind. Das Einzige, was mir nicht gefiel, war der „Soundtrack“. Samson hat die Angewohnheit, je nach Stimmung Musik zu hören und lässt den Leser daran teilhaben. Es ist ein Stilmittel – ok. Nur, ich mag es nicht. Doch das allein ist kein Grund, das Buch abzuwerten. Es ist auch fast das einzige was ich zu bemängeln habe. Was noch? Nur eines: Es gibt zur Zeit noch keinen Folgeband.

20.2.2021

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